Lebenslang im Prozess um Freier-Tod im Chemnitzer Rotlicht-Milieu
Chemnitz. Im Prozess um den gewaltsamen Tod eines 76 Jahre alten Chemnitzers im Rotlicht-Milieu sind zwei Männer am Montag zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Das Landgericht Chemnitz sah es als erwiesen an, dass die 41 und 47 Jahre alten Angeklagten den Rentner in dessen Wohnung aus Habgier umbrachten. Gegen zwei Prostituierte verhängten die Richter wegen Beihilfe zu versuchtem Raub und Diebstahl jeweils eineinhalbjährige Bewährungsstrafen. Die beiden 25 und 32 Jahre alten Frauen kamen damit noch im Gerichtssaal frei. Sie hatten monatelang in U-Haft gesessen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Opfer - laut Gericht „ein Gentleman“ - hatte zu den Stammkunden der 25-Jährigen gezählt und wurde von ihr gemeinsam mit ihrer sieben Jahre älteren Tante verabredungsgemäß am Abend des 22. September 2009 in seiner Wohnung besucht. Diesmal hatten die Damen freilich nicht nur die 80 Euro im Blick, die der Chemnitzer für die sexuellen Dienstleistungen später auch bezahlen sollte. Nach Überzeugung des Gerichts hatte sich die 25-Jährige gemeinsam mit ihrer Tante, ihrem Vater und dem Freund einer anderen Tante dazu entschlossen, mehr Geld zu erbeuten.
Die Frauen wussten von der Geldkassette des Opfers in dessen Wohnung, aus der der Rentner immer dann bezahlte, wenn er gerade kein Geld im Portemonnaie hatte. Eine der Prostituierten übergab sie den Männern, ohne dass der Rentner davon etwas mitbekam. Als die Männer die Kassette an einem anderen Ort aufbrachen, fanden sie darin 250 Euro - erhofft hatten sie sich laut Gericht wenigstens 600 Euro. Deshalb beließen es die Männer nicht dabei, die Geldkassette wie verabredet geräuschlos zurückzubringen, sondern suchten bei ihrer Rückkehr in die Wohnung nach mehr Beute.
Dies bemerkte schließlich der Rentner, der noch in seinem Bett lag und keine Chance zur Gegenwehr hatte. Der ungebetene Herren-Besuch war nach Darstellung des Gerichts in Wut geraten und begann damit, „in massivster Weise auf den Geschädigten einzutreten“. Schon diese Verletzungen seien tödlich gewesen, der gesamte Gesichtsschädel sei zertrümmert worden. Dann habe der 47-Jährige noch mit einem Schraubenzieher dreimal ins Herz des Rentners gestochen.
Auf die Spur der Angeklagten waren die Ermittler über die Telefonverbindungen des Opfers geraten. Bis zum Prozessende hatten alle aus dem Quartett ihre Unschuld behauptet. Beide Prostituierten hatten freilich schon zu Beginn des Verfahrens unter Tränen angegeben, das Geschehen zu bereuen - jedoch nur für den Diebstahl der Geldkassette mitverantwortlich zu sein. Die schwer belastende Aussage der Tochter, dass ihr Vater den Rentner erstochen habe, sah das Gericht durch weitere Zeugenaussagen sowie Spuren am Tatort bestätigt.
Ihr und ihrer Tante hielt das Gericht zwar vor, das Verbrechen durch das Öffnen von Haus- und Wohnungstür erst ermöglich zu haben. Gleichwohl wurde zugunsten der Frauen berücksichtigt, dass sie nicht vorbestraft waren. Sie stammten „aus ärmlichen Verhältnissen“ und gingen zur Versorgung ihrer Familie in der Slowakei seit Jahren in Chemnitz anschaffen, hieß es. Für die Dauer von drei Jahren setzte das Gericht die Haftstrafe für die beiden zur Bewährung aus.
Leipziger Volkszeitung, 13.12.2010
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