• Neues Pattayaforum online

    Für Insider und Kenner gibt es ein neues Pattayaforum ohne öffentlichen Zugang.

    Diese Information kann wie die meisten Einblendungen dieser Art mit dem X rechts oben gelöscht werden.

Magazin REEPERBAHN: Eros-Center wird geschlossen

Beiträge
619
C
0 0 0 0
REEPERBAHN

Unter dem Strich

Das Eros-Center verkörpert den Mythos Reeperbahn wie kein anderes Bordell. Ausgerechnet dieser Club wird nun geschlossen – mit Folgen für den ganzen Kiez. Über einen Wandel, der Opfer fordert.

Es ist Donnerstag, der 26. März, kurz nach Mitternacht, als Michael B. seinen schwarzen Mercedes in die Kurvenstraße in Wandsbek lenkt. B., 29, bullig, tätowiert, ist Türsteher an der Großen Freiheit und soll, so erzählt man sich auf dem Kiez, auch Zuhälter sein. Plötzlich krachen Schüsse durch das Wohngebiet, zwei Kugeln durchschlagen das linke Seitenfenster des Mercedes, treffen B. am Arm. In Panik rast er zur Polizeiwache Marienthal, die nur wenige Hundert Meter entfernt ist, dort bricht er schwer verletzt zusammen.

Wer ihn angeschossen haben könnte, dazu sagt B. kein Wort. Und doch ist sein Schweigen aufschlussreich: Die Schüsse auf Michael B. sind mehr als der Ausdruck eines kriminellen Kleinkriegs. Sie sind Teil eines großen Ganzen, das im Begriff ist, das Milieu zu verändern.

47 Stunden nach den Schüssen auf Michael B. in Wandsbek fährt auf der Reeperbahn eine Kolonne von Mannschaftswagen der Polizei vor. Es ist Freitag, der 27. März, 23 Uhr. Hunderte Touristen beobachten, wie Polizisten das Laufhaus Eros-Center stürmen. Am nächsten Tag ist Hamburgs bekanntestes Bordell Geschichte. Die Pin-ups an der Fassade sind übermalt, das weltberühmte Herz auf dem Vordach ist zurückgeklappt, der Schriftzug "Eros Center" verschwunden.

Der Name Eros-Center stand schon immer dafür, wer das Sagen hatte auf dem Kiez. Seit der spätere König von St. Pauli, Willi Bartels, 1967 unter diesem Namen ein Bordell auf der Reeperbahn eröffnete, ist der Schriftzug Symbol für Auf- und Niedergang des Rotlichtmilieus. Aber das Eros-Center ist mehr als ein Symbol. Es ist Gradmesser und Seismograf: Wenn sich im Eros-Center etwas ändert, dann kann man sicher sein, dass sich das Rotlichtmilieu ändert. Und es hat sich viel getan rund ums Eros-Center: Bereits im Januar war ein Türsteher angeschossen worden, seitdem gab es drei Razzien, mehrere Festnahmen, dann die Schüsse auf den Zuhälter Michael B. – und jetzt die Schließung.

Was also heißt es für den Kiez, wenn das berühmte Laufhaus ganz dichtmacht? Droht ein neuer Rotlichtkrieg? Eine Spurensuche.

Die Botschaft der Eros-Center-Gang: Wir sind hier an der Macht. Ganz im Ernst
Man beginnt sie am leichtesten mit einer Internetrecherche: Einfach "Eros-Center-Gang" in die Suchmaschine tippen – schon erscheint das gleichnamige Musikvideo des Gangsta-Rappers Bozza. Der Clip zeigt Muskelprotze mit Gesichtstattoo, die sich mit Bling-Bling-Gangster-Accessoires präsentieren: AMG-Mercedes ("mit 600 PS"), Ferrari (gelb), Kampfhund (zähnefletschend), Whiskeyflasche (voll), Geldzählmaschine (nur 500er). Dazu rappt Bozza vom "Leben zwischen Rotlicht, Schwarzlicht und Blaulicht".

Der Clip zeichnet das denkbar zugespitzteste Gangsta-Klischee. Doch die Männer im Video seien Originale, heißt es aus Polizeikreisen. Sie gehören tatsächlich zur Eros-Center-Gang, einer Gruppe von etwa 50 Männern, die das Rotlichtgeschäft auf dem Kiez derzeit für sich beanspruchen. Die harten Jungs, die im Video Karten spielen, sind zuständig fürs Grobe, arbeiten als Türsteher. Der Clip sei eine Botschaft an die Konkurrenz, sagen Polizisten: Wir sind hier an der Macht – und wir meinen es ernst.

EROS-CENTER: DIE ANFÄNGE
1967 baute Willi Bartels, der einflussreichste Investor auf dem Kiez, an der Reeperbahn 170 das erste Großbordell der Stadt – mit Unterstützung des Senats, aber gegen den Willen seiner Frau. »Wenn du einen Puff baust, lass ich mich scheiden«, soll sie gesagt haben. Sie blieben trotzdem zusammen. Zwei Jahre später eröffnete Bartels einige Häuser weiter das Palais d’Amour, das bis zuletzt das Laufhaus Eros-Center war.

DIE KONFLIKTE
Während Frauen im Laufhaus arbeiteten, fochten draußen vor der Tür die Gangs ihre Kämpfe aus. In den Siebzigern rivalisierten die Gruppen Nutella-Bande und GMBH. Anfang der Achziger wurden zwei Zuhälter vor dem Eros-Center getötet.

DAS GESCHÄFT
Im Eros-Center schafften in der Vergangenheit bis zu 250 Frauen an, rund um die Uhr. Jahrzehntelang war es das größte Bordell auf dem Kiez. Zu den besten Zeiten kamen etwa 200.000 Besucher im Jahr.


Die Mitglieder der Eros-Center-Gang sind offenbar nicht zimperlich. Einer der Männer vom Kartenspieltisch im Video ist auch auf einem anderen Film zu sehen. Aufgenommen wurde er am 4. Januar von einer Überwachungskamera vor einer Diskothek an der Großen Freiheit. Die Türsteher verweigern fünf Mitgliedern der Eros-Center-Gang den Einlass, es kommt zu einer Schlägerei – die Gangmitglieder beanspruchen jederzeit überall Zutritt. Plötzlich zieht einer von ihnen eine Pistole, schießt einem Türsteher ins Bein.

Das sei die Dummheit eines Laufburschen gewesen, erzählt man sich auf dem Kiez. Der Täter sei längst ins Ausland geflohen. Die Bosse der Eros-Center-Gang hätten kein Interesse an offener Gewalt, die störe nur das Geschäft.

Im zweiten Teil des Rap-Videos sind Männer mit Strumpfmasken vor den Seilen um den Boxring im Keller der legendären "Ritze" zu sehen, sie schwenken eine albanische Flagge. Sie seien diejenigen, die heute das Sagen im Eros-Center hätten, sagen Polizisten. Von der Gang selbst will keiner etwas sagen. Kiez-Ehre.

Aber was genau haben eine Bande mit Strumpfmasken und albanischer Flagge und das Laufhaus überhaupt miteinander zu tun? Auf dem Papier jedenfalls erst mal nichts. Ihre Beziehung zueinander ist das Ergebnis einer jahrzentelangen Verflechtung von Rivalität, Brutalität und Machtkämpfen um den Erhalt eines kriselnden Geschäfts.

Das Eros-Center steht seit fast 50 Jahren für den Traum vom großen Geld. Die Damen vom Gewerbe, die überall in den Gassen ihre Dienste anboten und mit den Matrosen verschwanden, die nach wochenlanger Fahrt ausgehungert über St. Pauli herfielen: Anfang der sechziger Jahre wollten Hamburgs Politiker das nicht länger mit ansehen. 1964 beschloss der Senat die Einrichtung eines Großbordells – prüde "Mädchenwohnheim" genannt –, um die Straßenprostitution einzudämmen. Immobilienmagnat Willi Bartels eröffnete 1967 das Eros-Center, zunächst ein paar Häuser entfernt vom heutigen Standort an der Reeperbahn 146. Damals war es das angeblich größte Bordell der Welt. Bis zu 140 Frauen boten dort gleichzeitig ihre Dienste an, verborgen vor der Öffentlichkeit, dafür bot das Eros-Center eine Kantine, Raumpflege, Bettwäsche, Zimmerkellner und ärztlicher Überwachung.

Seither war das Bordell Teil aller großen Erzählungen über den Kiez. Es sind Geschichten, in denen sich absurde Rufnamen mit peinlicher Großmannssucht, Gewalt und Unterdrückung von Frauen verbinden. Selten ist dabei deutlich, wo die Grenze zwischen Realität und Inszenierung verläuft. Aber fast immer dient der schmucklose Bau mit der roten Fassade als Kulisse.

Das Eros-Center mit seinen vier Etagen für inzwischen bis zu 80 Prostituierte galt als Insignie der Macht in Hamburgs Rotlichtmilieu. In den 1970er Jahren kämpften mit der GMBH und der Nutella-Bande zwei Zuhältergruppen um das Sagen, in den 1980er Jahren starben bei einer Schießerei zwei Zuhälter in dem Haus. Später gab es Konflikte zwischen Albanern und deutschen Rockerclubs. Immer wieder sorgte die Polizei mit großen Razzien für Ruhe – auch sie gehören zur Kiezfolklore: Wenn es zu bunt wird, zeigen die Behörden irgendwann ein Stoppzeichen.

Dieses Mal galt dieses Zeichen wohl Sefi L., der seit 2008 Kontrolle über das Center haben soll.

"Sefi ist der Boss / Eine lebende Legende / Und alle Jungs halten zu ihm / Stehen bis zum Ende", verkündet Rapper Bozza im Video. "Alles unter Kontrolle / Er zieht die Fäden in dem Spiel."

Sefi alias Sefadin L., 43, soll der Kopf der Eros-Center-Gang sein. Er entstammt dem Kiez-Adel, ist Neffe des legendären Sadri L. alias "Albaner Toni", der lange als Zuhälter-König von Hamburg galt. Auf Fotos zeigt sich Sefi L. mit seiner Muskelprotztruppe in martialischer Pose auf der Großen Freiheit. Es soll Clubs geben, die ihm immer seinen Stammtisch freihalten – ob er nun kommt oder nicht.

Doch sieht man von solchen Geschichten ab, bleibt Sefi L. im Hintergrund. Im Gewerberegister taucht er nicht auf. Und zum Eros-Center gibt es offiziell keine direkte Verbindung. Besitzer der Immobilie sind die Erben von Willi Bartels. Betreiber des Bordells war zuletzt ein Mann namens Michael G. Offiziell war er – und nicht etwa Sefi L. – Ziel der letzten Razzien.

Es sind schlechte Zeiten für Luden. Die Zahl der Konflikte steigt
Das Laufhaus Eros war und ist für die Behörden eine "gewerbliche Zimmervermietung", so funktioniert das Geschäft in Bordellen heute. Hinter der Tür mit der Aufschrift "Eintritt frei" ist das Eros-Center nie viel einladender gewesen als von außen. Ein Tunnel mit Frauenbildern des Kiez-Malers Erwin Ross führt ins Innere. Wer es an den Türstehern vorbeigeschafft hat, steht in einem biederen Treppenhaus. Auf den Etagen schieben sich Freier im Rotlicht durch enge Gänge, vor den Fenstern glimmen Teelichte. Die Prostituierten sitzen halb nackt auf Barhockern vor den Zimmern. Die Betreiber kassieren eine tägliche Miete für die Zimmer, die Frauen arbeiten ansonsten selbstständig – oder unter der Kontrolle eines Zuhälters.

Das heißt: Die Betreiber machen so oder so das Geschäft, egal, wie viele Freier kommen. Ein sicherer Verdienst, sollte man meinen, allerdings haben sich Michael G. und seine Geschäftspartner offenbar "unfassbar blöd" angestellt, wie von Kiez-Kennern zu hören ist. Vier Millionen Euro Steuern schulden die Betreiber laut Finanzbehörde dem Fiskus. Sie sollen Einnahmen aus der Zimmervermietung nicht versteuert haben, G. sitzt nun in Untersuchungshaft. Für die Behörden war das der offizielle und vielleicht auch willkommene Anlass, zur besten Geschäftszeit mehrmals öffentlichkeitswirksam den Club zu durchsuchen.

Mit Erfolg: Inzwischen richten sich die Ermittlungen offenbar auch gegen weitere Zuhälter aus dem Umkreis des Bordells. Die Finanzbeamten sollen verwundert gewesen sein, als sie die Vermögensverhältnisse der Männer um die Eros-Center-Gang kontrollierten – und feststellten, dass die Kiez-Größen, die mit Bling-Bling prahlen, behaupteten, am Existenzminimum zu leben.

Zur Wahrheit gehört aber wohl auch, dass das "Leben zwischen Rotlicht, Schwarzlicht und Blaulicht" in Wirklichkeit zunehmend düster ist, ein Geschäft auf dem absteigenden Ast.

"Wir sind nette Herren, die einfach mal gern miteinander chillen. Das ist Musik, das hat gar nichts mit was anderem zu tun", sagt in einem YouTube-Video Rapper Bozza, der als Kind bosnischer Flüchtlinge in den Neunzigern nach Hamburg gekommen ist, über seinen Clip. Bozza verbrachte seine Jugend auf einem Asylbewerber-Wohnschiff. Im Übrigen erklärt er: "Digger, ich kann gar nicht so viel dazu sagen."

Was soll er auch sagen? Vielleicht ist der Alltag des Rotlichtgeschäfts inzwischen zu trist für große Geschichten. Am Osterwochenende strahlen neben der Dunkelheit des geschlossenen Eros-Center die Neonröhren des Club d’Amour. Ein Koberer mit Basecap und Anglerweste versucht, torkelnde Männer in die Tabledance-Bar zu locken. Unten sitzen fünf gelangweilte Stripperinnen an der Bar und starren auf ihre Handys. Die einzigen Gäste sind vier junge Niederländer. Eine korpulente Frau tanzt vor ihnen. Einer der Jungs zieht einen Zehn-Euro-Schein, steckt ihn der Tänzerin ungelenk in den Slip, die anderen kichern.

"Es ist schwieriger geworden auf dem Kiez, die dicken Autos von damals gibt es heute nicht mehr", sagt auch Günter Zint, der seit Jahrzehnten den Wandel auf St. Pauli mit seiner Kamera festhält und das Eros-Center seit den Anfängen kennt. Lukrativer sind inzwischen Großbordelle in Hammerbrook oder Harburg, wo die Freier unerkannt und abseits der Touristenhorden verkehren können. Zudem arbeite die Mehrheit der Frauen im Eros-Center inzwischen auf eigene Rechnung. "Ich kenne eine Menge Frauen, die über die alten Zeiten lachen und sagen: So viel Geld den Zuhältern geben? Das würde ich nie machen." Die Polizei sei aufmerksamer als früher, gehe direkter gegen Zuhälter vor.

Schlechte Zeiten für die Luden. Mit Prostitution lässt sich immer weniger Geld verdienen. Und wo ein Markt kleiner wird, steigt die Zahl der Konflikte.

Menschen, die sich im Milieu auskennen, sagen, es sei wahrscheinlich, dass die Schüsse auf den Mercedes von Michael B. in Wandsbek etwas mit Machtkämpfen zu tun hätten. B. war wohl Zuhälter mehrerer Frauen aus dem Eros-Center. Angeblich hat er sich mit der Gang angelegt. Und es spricht einiges dafür, dass die Razzia zwei Tage später auch ein Zeichen sein sollte an die Kiez-Bosse, für Ruhe zu sorgen.

Michael B. hat die Klinik inzwischen verlassen und ist abgetaucht. Die Polizei hat einen möglichen Täter festgenommen, die Staatsanwaltschaft will vorläufig nichts zu den Ermittlungen sagen. Gut möglich, dass weitere Festnahmen geplant sind. Der mutmaßliche Täter soll aus dem Umfeld der Eros-Center-Gang kommen, sogar im Video von Bozza zu sehen sein.

Es herrscht Umbruchstimmung auf dem Kiez.

Jörn Blicke, Leiter des Dezernats "Milieu" beim Landeskriminalamt, erwartet trotzdem, dass das Laufhaus schnell wieder öffnet – vermutlich unter neuem Namen. Er beurteilt die Schließung so: "Damit endet eine Ära im Laufhaus." Heißt: Die Karten werden dort neu gemischt. Auch Andreas Fraatz, Enkel von Willi Bartels, sagt: "Wir wurden über die Schließung informiert. Der Mietvertrag läuft jedoch noch gut circa zehn Jahre, und der ist einzuhalten."

In einem sind sich alle Kiez-Experten einig. Die Geschichte geht weiter. Es ist nicht das Ende, sondern ein Generationswechsel. Und der fordert auf dem Kiez traditionell seine Opfer.



(Auch hier wieder die Leserkommentare bzw. die Diskussion unter dem Artikel beachten.)
 
S

Scorpio

User
(Auch hier wieder die Leserkommentare bzw. die Diskussion unter dem Artikel beachten.)
Ich schaue grundsätzlich immer in die Leserkommentare, so es denn welche gibt.
Wenn die Kommentarfunktion abgeschaltet ist, weiß ich sowieso was vom eigentlichen Artikel zu halten ist!
Aber "Albanische Fahne" und "Volksheim Schweden", irgendwie wundert mich das nicht. ;)

Scorpio
 
Oben