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Magazin Wenn Wohlmeinendes nach hinten los geht

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Wenn Wohlmeinendes nach hinten los geht

Ich halte nichts vom Schwarz-Weiß-Denken. Nur weil ich der Meinung bin, dass Prostitution keine Arbeit ist und weil ich zum Ausdruck bringe, dass ...

 

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Wenn Gut Gemeintes komplett nach hinten los geht

Ich halte nichts vom Schwarz-Weiß-Denken. Es schürt nur Hass und bringt die Diskussion nicht im Geringsten weiter. Das Leben und die Menschen sind komplex, facettenreich und voller Widersprüche.

Nur weil ich der Meinung bin, dass Prostitution keine Arbeit ist und weil ich zum Ausdruck bringe, dass ich Prostitution als schlimm empfunden habe, heißt das noch lange nicht, dass ich mich gegen die Rechte von Prostituierten oder gar von Frauen insgesamt ausspreche. Das Gegenteil ist der Fall. Ich finde nur, dass seit der "Hurenbewegung" einiges mächtig aus dem Ruder gelaufen ist.

1984 saß ich pubertierend mit meiner Freundin Manuela in meinem Kinderzimmer. Wir sprachen darüber, dass es doch furchtbar ungerecht sei, dass Jungs ohne dass ihr Ruf litt mit so vielen Frauen schlafen konnten wie sie Lust hatten, Mädchen aber gleich als "Dorfmatratze" abgestempelt wurden wenn sie mit vielen Jungs vögelten. Ich weiß noch genau, wie sehr mich das damals beschäftigte und auch verärgerte.

Ich beschloss, dass ich in meinem (Liebes-)Leben trotzdem treiben würde was ich wollte. Und ein paar Jahre später hieß es: Gesagt, getan.
Zugebenerweise völlig unkämpferisch, manchmal selbstverletzend und mich mit dem "Feind" verbündend. Aber schon irgendwie auch trotzig.

Aus der selben Motivation heraus wurden etwa zur selben Zeit (ein paar Jahre später als die Französinnen) deutsche Prostituierte aktiv: Nämlich weil sie sich ebenfalls nicht als "schmutzige Schlampen" abstempeln lassen wollten:

In Frankfurt formierte sich aus einer Handvoll Prostituierten die Aktionsgruppe "Huren wehren sich gemeinsam", um gegen Zwangsuntersuchungen von Prostituierten und gegen Sperrbezirke zu protestieren. Angeregt wurde diese Initiative durch die 1980 in Berlin gegründete Hurenselbsthilfeorganistation Hydra. Auch sie wehrte sich gegen die Stigmatisierung von Prostituierten und kämpfte für ihre Rechte. In anderen Städten bildeten sich ebenfalls Interessensgemeinschaften, die etwas professionalisierter auch heute noch aktiv sind (Quelle: Digitales-deutsches-frauenarchiv.de).
Die Frauen kämpften, für mich völlig nachvollziehbar, gegen Fremdbestimmung und die Vorstellung, dass die sexuelle Freizügigkeit von Frauen unsittlich sei.

Auch nachvollziehbar finde ich (im Kontext der Zeit in der sie stattfand) die Klage der Prostituierten und Anbahnungslokalbesitzerin Felizitas Schirow. Sie wehrte sich gegen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit, als sie im Jahr 2000 vor das Berliner Verwaltungsgericht zog, gewann, was letztlich die Ausarbeitung und Verabschiedung des Prostitutionsgesetzes ProstG als Konsequenz mit sich brachte.
Ich kann mir vorstellen, dass Frau Schirow damals nicht die leiseste Ahnung hatte, welch seltsame Blüten das alles noch treiben würde!

Viele Organisationen, Parteien, beteiligte und unbeteiligte Menschen, sind seitdem auf den Zug "Wir stärken die Rechte von Prostituierten" aufgesprungen und haben ihn, ohne es zu merken oder meist auch zu wollen, zum entgleisen gebracht.
Was ursprünglich mit oftmals guten Absichten auf den Weg gebracht wurde, entwickelte sich, auch durch äußere Faktoren, zu einem reaktionären Alptraum. Die Auswirkungen auf den Prostitutionsmarkt, die die EU-Osterweiterungen in Kombination mit dem ProstG mit sich brachten, wurden lange Zeit ignoriert.

Die Liberalisierung von Prostitution und die Stärkung der Rechte von Prostituierten wurden ad Absurdum geführt und von der ursprünglichen Zielsetzung erreichte man das genaue Gegenteil.

Deutschland ist heute das Bordell Europas, Freier erwarten von Frauen inzwischen nicht mehr nur Gesundheit und Schönheit sondern auch echt wirkende Emotionen, ausufernde Praktiken und Niedrigstpreise, der Menschenhandel boomt, der Staat kassiert Steuereinnahmen in Milliardenhöhe und Bordellbesitzer horrende Zimmermieten. Angemessene Hilfen gibt es kaum. So kann das nicht gemeint gewesen sein!

Das Seltsame ist: Kaum einer will das zugeben. Gesetzesanpassungen wie das Prostituiertenschutzgesetz ProstSchG machten alles nur noch schlimmer.

Aber Apokalypse scheint schwer ansagt zu sein: Eine "neue" Hurenbewegung propagiert, zwar mitgliederschwach, aber auch getragen durch Pionierorganisationen wie Hydra, dass "Sexarbeit" grundsätzlich die Arbeit "sexpositiver" Menschen ist und lässt damit ohne Rücksicht auf Verluste zahlreiche unwissende Hipster und vor allem auch Freier auf den bereits entgleisten Zug aufspringen, der nun inzwischen völlig planlos dem Totalschaden entgegenrast.

Dabei ging es doch damals, als alles anfing, um nichts anderes als Würde, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung. Doch diese Ziele sind durch allerlei Fehlinterpretationen, Überbetonung und Liberalisierung bis zum Erbrechen komplett aus dem Blickfeld geraten. Man könnte auch sagen (Achtung neue Wortkreation): Kaputtgesolidarisiert. Mit den Falschen nämlich.

Freier, Bordellbetreiber*innen und der Staat sind die einzigen Profiteure dieses aktuellen Desasters.

Nur für die Prostituierten hat sich nichts zum Guten gewendet. Im Gegenteil.

Ich bin natürlich heute, 35 Jahre nach dem Gespräch in meinem Kinderzimmer immer noch für sexuelle Selbstbestimmung. Und ein bisschen was hat sich ja auch getan, was die Rechte der Frauen insgesamt angeht.

In der Realität von Prostituierten ist das allerdings eher so gar nicht der Fall, auch wenn ein paar Wenige dies behaupten.

Neulich musste ich mir von einer Politikerin am Telefon "erklären" lassen, dass Prostitution eine normale Arbeit ist, deren Übel ausschließlich im Stigma zu verorten ist. Sie hatte auch kein Problem damit, dass mich das zutiefst kränkte. Im Gegenteil: Sie musste es sogar mehrmals wiederholen, damit das auch ja klar ist!

Gefühlt habe ich mich nach diesem Telefonat fremdbestimmt, klein, dumm, rechte- und würdelos.
 
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