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Magazin 56. Viennale - „Black Mother“ oder die Frage, wie man Identität filmt

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56. Viennale - „Black Mother“ oder die Frage, wie man Identität filmt

Während verschiedene Stimmen mal über Prostitution, mal über die Gefahr durch japanische Einwanderer oder die Bedeutung des Wassers für ...

 

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Wien (APA) - Was ist eine „Black Mother“? Für einige jamaikanischer Männer eine gesunde Frau, die immer lächelt, charmant und natürlich ist. Eine Jamaikanerin hat für das idyllische Bild nur ein kehliges Lachen über: „Nach neun Monaten ist es vor allem viel Schmerz.“ Mittels Ton- und Bildfragmenten gewährt Khalik Allah mit „Black Mother“ bei der heurigen Viennale Einblick in jamaikanische Identität.

Die 77-minütige Dokumentation (am 7. November im Filmmuseum) ist in drei Abschnitte unterteilt, die sich an den Trimestern einer Schwangerschaft orientieren. Das erste filmische Trimester dreht sich vage um die Geschichte des karibischen Inselstaates, um die aktuelle gesellschaftspolitische Situation sowie um die koloniale Vergangenheit, das zweite um Familie und Rollenbilder der Frauen, und das dritte Kapitel ist geprägt von einer Beerdigung und einer Geburt, die sinnbildlich für das Ende des alten Verständnisses für Jamaika und den Anfang einer neuen Wahrnehmung stehen können.

Während verschiedene Stimmen mal über Prostitution, mal über die Gefahr durch japanische Einwanderer oder die Bedeutung des Wassers für Jamaikaner reden, fokussiert die Kamera auf einzelne Personen. Die Bildausschnitte erinnern an Fotografien, nur das leichte Atmen der Kamera ruft dem Zusehenden ins Gedächtnis, dass es sich um Filmaufnahmen handelt. Nicht immer sind sie scharf, Allah arbeitete unter anderem mit einer alten 8mm-Schmalfilm-Kamera. Dadurch ergeben sich Lichteffekte, das Bild wirkt körnig und die Farben verwaschen. Er geht nahe ran, in einem Großteil der Aufnahmen nimmt das Gesicht der jeweiligen Person den gesamten Rahmen ein.

Die Menschen schauen in das Objektiv, lächeln. Nie wirken sie befremdet von dem Mann hinter der Kamera. Allahs Mutter stammt aus Jamaika, er selbst lebt in Amerika und reiste als Fremder durch die Straßen der ehemaligen britischen Kolonie. Die Menschen erzählen dem autodidaktischen Filmemacher, worüber man sonst nur mit Freunden redet - beispielsweise von ihrer Religion, die einer von ihnen als Überbleibsel der Kolonialherren bezeichnet. Die Jamaikaner hätten diese durch ihre Spiritualität in etwas Eigenes transformiert. Der Film zeigt, dass Allah nicht nur Talent in filmischer Gestaltung hat, sondern auch im Umgang mit ihm unbekannten Menschen.

Bild und Ton sind asynchron. Die Stimme, die man hört, ist dem Bild nicht zuordenbar. Es sind private Erkenntnisse und Erfahrungen, die keinen Anspruch auf objektive Gültigkeit haben. Indem Allah vermeidet, eine bestimmte Aussage einer konkreten Person zuzuordnen, verleiht er dieser den Anschein der allgemeinen Gültigkeit. Jeder, der einem in Jamaika auf der Straße begegnet, könnte sie äußern. So entsteht ein Rhythmus aus Sprechgesang, Gebeten, Gesprächen und Monologen. Im Hintergrund lachen Kinder, es rauscht Wasser und Seiten rascheln. Da fällt es auch kaum auf, dass man passagenweise Schwierigkeiten hat, dem jamaikanischen Akzent zu folgen.

Der Fluss der Bilder wird nur durch die Untergliederung in die drei Trimester einer Schwangerschaft unterbrochen. Diese wirkt erzwungen, sie gibt dem Film eine Linearität, die dieser nicht benötigt, wie Allah bereits in seinem 2015 erschienen Werk „Field Niggas“ zeigte. Es wirkt fast, als ob der junge Regisseur zu wenig Vertrauen in die Wirkungskraft seiner Bilder hatte, um die große, komplexe Thematik einer jamaikanischen Identität greifen zu können. Eine natürlichere Struktur vermitteln hingegen die widerkehrenden Personen: eine nackte Frau mit einer Kokosnuss, eine hagere Tänzerin, eine Gruppe von Kindern, denen in einem dunklen Raum aus der Bibel vorgelesen wird.

Mit einer klassischen Dokumentation hat „Black Mother“ wenig zu tun, dafür gibt der Film zu wenig Kontext oder erörtert Hintergründe. Wer Zahlen und Fakten erwartet, ist hier falsch. Die essayistische Vorgehensweise bietet jedoch für viele Berührungspunkte: Kenner der jamaikanischen Geschichte können ihrem Wissen durch die visuell exzellente Darstellung eine sensorische Ebene hinzufügen, allen Jamaika-Neulingen gibt er durch Allahs authentischen Blick durch das Kameraobjektiv ein erstes Gefühl für das Land, dessen Identität und was es bedeutet, eine „Black Mother“ zu sein.

(S E R V I C E - „Black Mother“ läuft bei der Viennale am 7. November um 21.00 Uhr im Filmmuseum; )
 
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