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Birnbaum Kritik der reinen Vernunft in 116 Teilen zum mitlesen und mitdenken

S

Schroeder

User
Sehrverehrte Exzellenz,dem Königlichen Staatsminister, Freiherrn von Zedlitz.

Gnädiger Herr!

Den Wachstum der Wissenschaften an seinem Teile befördern, heißt an ehrwürdiger Exzellenz eigenem Interesse arbeiten; denn dieses ist mit jenen, nicht bloß durch den erhabenen Posten eines Beschützers, sondern durch das viel vertrautere eines Liebhabers und erleuchteten Kenners, innigst verbunden. Deswegen bediene ich mich auch des einigen Mittels, das gewissermaßen in meinem Vermögen ist, meine Dankbarkeit für das gnädige Zutrauen zu bezeigen, womit ehrwürdige Exzellenz mich beehren, als könnte ich zu dieser Absicht etwas beitragen.

Wen das spekulative Leben vergnügt, dem ist, unter mäßigen Wünschen, der Beifall eines aufgeklärten, gültigen Richters eine kräftige Aufmunterung zu Bemühungen, deren Nutzen groß, obzwar entfernt ist, und daher von gemeinen Augen gänzlich verkannt wird.

Einem Solchen und Dessen gnädigem Augenmerke widme ich nun diese Schrift und, Seinem Schutze, alle übrige Angelegenheit meiner literarischen Bestimmung, und bin mit der tiefsten Verehrung
Ehrwürdige Exzellenz.


untertänig gehorsamster
Diener.



Königsberg.
den 29sten März 1781

Immanuel Kant.
 
S

Schroeder

User
Vorrede.

Die menschliche Vernunft hat das besondere Schicksal in einer Gattung ihrer Erkenntnisse: daß sie durch Fragen belästigt wird, die sie nicht abweisen kann; denn sie sind ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantworten kann; denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft.

In diese Verlegenheit gerät sie ohne ihre Schuld.

Sie fängt von Grundsätzen an, deren Gebrauch im Laufe der Erfahrung unvermeidlich und zugleich durch diese hinreichend bewährt ist. Mit diesem steigt sie (wie es auch ihre Natur mit sich bringt) immer höher, zu entfernteren Bedingungen. Da sie aber gewahr wird, daß auf diese Art ihr Geschäft jederzeit unvollendet bleiben müsse, weil die Fragen niemals aufhören, so sieht sie sich genötigt, zu Grundsätzen ihre Zuflucht zu nehmen, die allen möglichen Erfahrungsgebrauch überschreiten und gleichwohl so unverdächtig scheinen, daß auch die gemeine Menschenvernunft damit im Einverständnisse steht.

Dadurch aber stürzt sie sich in Dunkelheit und Widersprüche, aus welchen sie zwar abnehmen kann, daß irgendwo verborgene Irrtümer zum Grunde liegen müssen, die sie aber nicht entdecken kann, weil die Grundsätze, deren die sich bedient, da sie über die Grenze aller Erfahrung hinausgehen, keinen Probierstein der Erfahrung mehr anerkennen. Der Kampfplatz dieser endlosen Streitigkeiten heißt nun Metaphysik.

Es war eine Zeit, in welcher sie die Königin aller Wissenschaften genannt wurde, und wenn man den Willen für die Tat nimmt, so verdiente sie, wegen der vorzüglichen Wichtigkeit ihres Gegenstandes, allerdings diesen Ehrennamen. Jetzt bringt es der Modeton des Zeitalters so mit sich, ihre alle Verachtung zu beweisen und die Matrone klagt, verstoßen und verlassen, wie Hecuba: modo maxima rerum, tot generis natisque potens - nunc trahor exul, inops - Ovid. Metam. ***

Anfänglich war ihre Herrschaft unter der Verwaltung der Dogmatiker, despotisch. Allein, weil die Gesetzgebung noch die Spur der alten Barbarei an sich hatte, so artete sie durch innere Kriege nach und nach in völlige Anarchie aus und die Skeptiker, eine Art Nomaden, die allen beständigen Anbau des Bodens verabscheuen, zertrennten von Zeit zu Zeit die bürgerliche Vereinigung.

Da ihrer aber zum Glück nur wenige waren, so konnten sie nicht hindern, daß jene sie nicht immer aufs neue, obgleich nach keinem unter sich einstimmigen Plane, wieder anzubauen versuchten.

In neueren Zeiten schien es zwar einmal, als sollte allen diesen Streitigkeiten durch eine gewisse Physiologie des menschlichen Verstandes (von dem berühmten Locke) ein Ende gemacht und die Rechtmäßigkeit jener Ansprüche völlig entschieden werden; es fand sich aber, daß, obgleich die Geburt jener vorgegebenen Königin aus dem Pöbel der gemeinen Erfahrung abgeleitet wurde und dadurch ihre Anmaßung mit Recht hätte verdächtig werden müssen, dennoch, weil diese Genealogie ihr in der Tat fälschlich angedichtet war, sie ihre Ansprüche noch immer behauptete, wodurch alles wiederum in den veralteten wurmstichigen Dogmatismus und daraus in die Geringschätzung verfiel, daraus man die Wissenschaft hatte ziehen wollen.

Jetzt, nachdem alle Wege (wie man sich überredet) vergeblich versucht sind, herrscht Überdruß und gänzlicher Indifferentismus, die Mutter des Chaos und der Nacht, in Wissenschaften, aber doch zugleich der Ursprung, wenigstens das Vorspiel einer nahen Umschaffung und Aufklärung derselben, wenn sie durch übel angebrachten Fleiß dunkel, verwirrt und unbrauchbar geworden.

Es ist nämlich umsonst, Gleichgültigkeit in Ansehung solcher Nachforschungen erkünsteln zu wollen, deren Gegenstand der menschlichen Natur nicht gleichgültig sein kann.

Auch fallen jene vorgeblichen Indifferentisten, so sehr sie sich auch durch die Veränderung der Schulsprache in einem populären Tone unkenntlich zu machen gedenken, wofern sie nur überall etwas denken, in metaphysische Behauptungen unvermeidlich zurück, gegen die sie doch so viel Verachtung vorgaben.

Indessen ist diese Gleichgültigkeit, die sich mitten in dem Flor aller Wissenschaften ereignet und gerade diejenigen trifft, auf deren Kenntnisse, wenn dergleichen zu haben wären, man unter allen am wenigsten Verzicht tun würde, doch ein Phänomen, das Aufmerksamkeit und Nachsinnen verdient.

Sie ist offenbar die Wirkung nicht des Leichtsinns, sondern der gereiften Urteilskraft

(Man hört hin und wieder Klagen über Seichtigkeit der Denkungsart unserer Zeit und den Verfall gründlicher Wissenschaft. Allein ich sehe nicht, daß die, deren Grund gut gelegt ist, als Mathematik, Naturlehre usw. diesen Vorwurf im mindesten verdienen, sondern vielmehr den alten Ruhm der Gründlichkeit behaupten, in der letzteren aber sogar übertreffen.[/SIZE]

Eben derselbe Geist würde sich nun auch in anderen Arten von Erkenntnis wirksam beweisen, wäre nur allererst für die Berichtigung ihrer Prinzipien gesorgt worden. In Ermanglung derselben sind Gleichgültigkeit und Zweifel und endlich, strenge Kritik, vielmehr Beweise einer gründlichen Denkungsart. Unser Zeitalter ist das eigentliche Zeitalter der Kritik, der sich alles unterwerfen muß. Religion, durch ihre Heiligkeit, und Gesetzgebung durch ihre Majestät, wollen sich gemeiniglich derselben entziehen. Aber alsdann erregen sie gerechten Verdacht wider sich und können auf unverstellte Achtung nicht Anspruch machen, die die Vernunft nur demjenigen bewilligt, was ihre freie und öffentliche Prüfung hat aushalten können.)

des Zeitalters, welches sich nicht länger durch Scheinwissen hinhalten läßt und eine Aufforderung an die Vernunft, das beschwerlichste aller ihrer Geschäfte, nämlich das der Selbsterkenntnis aufs neue zu übernehmen und einen Gerichtshof einzusetzen, der sie bei ihren gerechten Ansprüchen sichere, dagegen aber alle grundlosen Anmaßungen, nicht durch Machtsprüche, sondern nach ihren ewigen und unwandelbaren Gesetzen, abfertigen könne, und dieser ist kein anderer als die Kritik der reinen Vernunft selbst.

Ich verstehe aber hierunter nicht eine Kritik der Bücher und Systeme, sondern die des Vernunftvermögens überhaupt, in Ansehung aller Erkenntnisse, zu denen sie, unabhängig von aller Erfahrung, streben mag, mithin die Entscheidung der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Metaphysik überhaupt und die Bestimmung sowohl der Quellen, als des Umfanges und der Grenzen derselben, alles aber aus Prinzipien.

Diesen Weg, den einzigen, der übrig gelassen war, bin ich nun eingeschlagen und schmeichle mir, auf demselben die Abstellung aller Irrungen angetroffen zu haben, die bisher die Vernunft im erfahrungsfreien Gebrauche mit sich selbst entzweit hatten.

Ich bin ihren Fragen nicht dadurch etwa ausgewichen, daß ich mich mit dem Unvermögen der menschlichen Vernunft entschuldigte; sondern ich habe sie nach Prinzipien vollständig spezifiziert und, nachdem ich den Punkt des Mißverstandes der Vernunft mit ihr selbst entdeckt hatte, sie zu ihrer völligen Befriedigung aufgelöst.

Zwar ist die Beantwortung jener Fragen gar nicht so ausgefallen, als dogmatisch schwärmende Wißbegierde erwarten mochte; denn die könnte nicht anders als durch Zauberkräfte, darauf ich mich nicht verstehe, befriedigt werden.

Allein, das war auch wohl nicht die Absicht der Naturbestimmung unserer Vernunft; und die Pflicht der Philosophie war: das Blendwerk, das aus Mißdeutung entsprang, aufzuheben, sollte auch noch soviel gepriesener und beliebter Wahn dabei zu nichte gehen.

In dieser Beschäftigung habe ich Ausführlichkeit mein großes Augenmerk sein lassen und ich erkühne mich zu sagen, daß nicht eine einzige metaphysische Aufgabe sein müsse, die hier nicht aufgelöst, oder zu deren Auflösung nicht wenigstens der Schlüssel dargereicht worden.

In der Tat ist auch reine Vernunft eine so vollkommene Einheit: daß, wenn das Prinzip derselben auch nur zu einer einzigen aller der Fragen, die ihr durch ihre eigene Natur aufgegeben sind, unzureichend wäre, man dieses immerhin nur wegwerfen könnte, weil es alsdann auch keiner der übrigen mit völliger Zuverlässigkeit gewachsen sein würde.

Ich glaube, indem ich dieses sage, in dem Gesichte des Lesers einen mit Verachtung gemischten Unwillen über, dem Anscheine nach, so ruhmredige und unbescheidene Ansprüche wahrzunehmen, und gleichwohl sind sie ohne Vergleichung gemäßigter, als die, eines jeden Verfassers des gemeinsten Programms, der darin etwa die einfache Natur der Seele, oder die Notwendigkeit eines ersten Weltanfanges zu beweisen vorgibt.

Denn dieser macht sich anheischig, die menschliche Erkenntnis über alle Grenzen möglicher Erfahrung hinaus zu erweitern, wovon ich demütig gestehe: daß dieses mein Vermögen gänzlich übersteige, an dessen Statt ich es lediglich mit der Vernunft selbst und ihrem reinen Denken zu tun habe, nach deren ausführlicher Kenntnis ich nicht weit um mich suchen darf, weil ich sie in mir selbst antreffe und wovon mir auch schon die gemeine Logik ein Beispiel gibt, daß sich alle ihre einfachen Handlungen völlig und systematisch aufzählen lassen;

nur daß hier die Frage aufgeworfen wird, wieviel ich mit derselben, wenn mir aller Stoff und Beistand der Erfahrung genommen wird, etwa auszurichten hoffen dürfe.

So viel von der Vollständigkeit in Erreichung eines jeden, und der Ausführlichkeit in Erreichung aller Zwecke zusammen, die nicht ein beliebiger Vorsatz, sondern die Natur der Erkenntnis selbst uns aufgibt, als der Materie unserer kritischen Untersuchung.

Noch sind Gewißheit und Deutlichkeit zwei Stücke, die die Form derselben betreffen, als wesentliche Forderungen anzusehen, die man an den Verfasser, der sich an eine so schlüpfrige Unternehmung wagt, mit Recht tun kann.

Was nun die Gewißheit betrifft, so habe ich mir selbst das Urteil gesprochen: daß es in dieser Art von Betrachtungen auf keine Weise erlaubt sei, zu meinen und daß alles, was darin einer Hypothese nur ähnlich sieht, verbotene Ware sei, die auch nicht für den geringsten Preis feil stehen darf, sondern sobald sie entdeckt wird, beschlagen werden muß.

Denn das kündigt eine jede Erkenntnis, die a priori feststehen soll, selbst an, daß sie für schlechthin notwendig gehalten werden will, und eine Bestimmung aller reinen Erkenntnisse a priori noch vielmehr, die das Richtmaß, mithin selbst das Beispiel aller apodiktischen (philosophischen) Gewißheit sein soll.

Ob ich nun das, wozu ich mich anheischig mache in diesem Stücke geleistet habe, das bleibt gänzlich dem Urteile des Lesers anheimgestellt, weil es dem Verfasser nur geziemt, Gründe vorzulegen, nicht aber über die Wirkung derselben bei seinen Richtern zu urteilen.

Damit aber nicht etwas unschuldigerweise an der Schwächung derselben Ursache sei, so mag es ihm wohl erlaubt sein, diejenigen Stellen, die zu einigem Mißtrauen Anlaß geben könnten, ob sie gleich nur den Nebenzweck angehen, selbst anzumerken, um den Einfluß, den auch nur die mindeste Bedenklichkeit des Lesers in diesem Punkte auf sein Urteil, in Ansehung des Hauptzwecks, haben möchte, beizeiten abzuhalten.

Ich kenne keine Untersuchungen, die zur Ergründung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zur Bestimmung der Regeln und Grenzen seines Gebrauchs, wichtiger wären, als die, welche ich in dem zweiten Hauptstücke der transszendentalen Analytik, unter dem Titel der Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, angestellt habe; auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe, gekostet.

Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwei Seiten.

Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes, und soll die objektive Gültigkeit seiner Begriffe a priori dartun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig.

Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Möglichkeit und den Erkenntniskräften, auf denen er selbst beruht, mithin ihn in subjektiver Beziehung zu betrachten und, obgleich diese Erörterung in Ansehung meiner Hauptzwecks von großer Wichtigkeit ist, so gehört sie doch nicht wesentlich zu demselben; weil die Hauptfrage immer bleibt, was und wie viel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen und nicht, wie ist das Vermögen zu denken selbst möglich?

Da das letztere gleichsam eine Aufsuchung der Ursache zu einer gegebenen Wirkung ist, und insofern etwas einer Hypothese Ähnliches an sich hat, (ob es gleich, wie ich bei anderer Gelegenheit zeigen werde, sich in der Tat nicht so verhält), so scheint es, als sei hier der Fall, da ich mir die Erlaubnis nehme, zu meinen, und dem Leser also auch freistehen müsse, anders zu meinen.

In Betracht dessen muß ich dem Leser mit der Erinnerung zuvorkommen; daß, im Fall meine subjektive Deduktion nicht die ganze Überzeugung, die ich erwarte, bei ihm gewirkt hätte, doch die objektive, um die es mir hier vornehmlich zu tun ist, ihre ganze Stärke bekomme, wozu allenfalls dasjenige, was [DMLURL]http://freiermagazin.x-check.de/bb/Dokumente%20und%20EinstellungenAdministratorDesktopKant%20Immanuel_Kritik%20der%20reinen%20Vernunft_WebReap_HTML_20040417ockham.philos.phil.tu-bs.deTextegutenberg.aol.dekantkrvakrva032.htm[/DMLURL] gesagt wird, allein hinreichend, sein kann.


Was endlich die Deutlichkeit betrifft, so hat der Leser ein Recht, zuerst die diskursive (logische) Deutlichkeit, durch Begriffe, dann aber auch eine intuitive (ästhetische) Deutlichkeit, durch Anschauungen, d. i. Beispiele oder andere Erläuterungen in concreto zu fordern.

Für die erste habe ich hinreichend gesorgt. Das betraf das Wesen meines Vorhabens, war aber auch die zufällige Ursache, daß ich der zweiten, obzwar nicht so strengen, aber doch billigen Forderung nicht habe Genüge leisten können.

Ich bin fast beständig im Fortgange meiner Arbeit unschlüssig gewesen, wie ich es hiermit halten sollte. Beispiele und Erläuterungen schienen mir immer nötig und flossen daher auch wirklich im ersten Entwurfe an ihren Stellen gehörig ein.

Ich sah aber die Größe meiner Aufgabe und die Menge der Gegenstände, womit ich es zu tun haben würde, gar bald ein und, da ich gewahr ward, daß diese ganz allein, im trockenen, bloß scholastischen Vortrage, das Werk schon genug ausdehnen würden, so fand ich es unratsam, es durch Beispiele und Erläuterungen, die nur in populärer Absicht notwendig sind, noch mehr anzuschwellen, zumal diese Arbeit keineswegs dem populären Gebrauche angemessen werden könnte und die eigentlichen Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nötig haben, ob sie zwar jederzeit angenehm ist, hier aber sogar etwas Zweckwidriges nach sich ziehen konnte.

Abt Terrasson sagt zwar: wenn man die Größe eines Buchs nicht nach der Zahl der Blätter, sondern nach der Zeit mißt, die man nötig hat, es zu verstehen, so könne man von manchem Buche sagen: daß es viel kürzer sein würde, wenn es nicht so kurz wäre.

Andererseits aber, wenn man auf die Faßlichkeit eines weitläufigen, dennoch aber in einem Prinzip zusammenhängenden Ganzen spekulativer Erkenntnis seine Absicht richtet, könnte man mit eben so gutem Rechte sagen: manches Buch wäre viel deutlicher geworden, wenn es nicht so gar deutlich hätte werden sollen.

Denn die Hülfsmittel der Deutlichkeit fehlen zwar in Teilen, zerstreuen aber öfters im Ganzen, indem sie den Leser nicht schnell genug zur Überschauung des Ganzen gelangen lassen und durch alle ihre hellen Farben gleichwohl die Artikulation, oder den Gliederbau des Systems verkleben und unkenntlich machen, auf den es doch, um über die Einheit und Tüchtigkeit desselben urteilen zu können, am meisten ankommt.

Es kann, wie mich dünkt, dem Leser zu nicht geringer Anlockung dienen, seine Bemühung mit der des Verfassers, zu vereinigen, wenn er die Aussicht hat, ein großes und wichtiges Werk, nach dem vorgelegten Entwurfe, ganz und doch dauerhaft zu vollführen.

Nun ist Metaphysik, nach den Begriffen, die wir hier davon geben werden, die einzige aller Wissenschaften, die sich eine solche Vollendung und zwar in kurzer Zeit, und mit nur weniger, aber vereinigter Bemühung, versprechen darf, so daß nichts für die Nachkommenschaft übrig bleibt, als in der didaktischen Manier alles nach ihren Absichten einzurichten, ohne darum den Inhalt im mindesten vermehren zu können.

Denn es ist nichts als das Inventarium aller unserer Besitze durch reine Vernunft, systematisch geordnet. Es kann uns hier nichts entgehen, weil, was Vernunft gänzlich aus sich selbst hervorbringt, sich nicht verstecken kann, sondern selbst durch Vernunft ans Licht gebracht wird, sobald man nur das gemeinschaftliche Prinzip desselben entdeckt hat.

Die vollkommene Einheit dieser Art Erkenntnisse, und zwar aus lauter reinen Begriffen, ohne daß irgend etwas von Erfahrung, oder auch nur besondere Anschauung, die zur bestimmten Erfahrung leiten sollte, auf sie einigen Einfluß haben kann, sie zu erweitern und zu vermehren, machen diese unbedingte Vollständigkeit nicht allein tunlich, sondern auch notwendig.

Tecum habita et noris, quam sit tibi curta supellex("Sieh dich in deiner eigenen Behausung um, und du wirst erkennen, wie einfach deine Ausstattung ist"). Persius.

Ein solches System der reinen (spekulativen) Vernunft hoffe ich unter dem Titel: Metaphysik der Natur, selbst zu liefern, welches, bei noch nicht der Hälfte der Weitläufigkeit, dennoch ungleich reicheren Inhalt haben soll, als hier die Kritik, die zuvörderst die Qellen und Bedingungen ihrer Möglichkeit darlegen mußte, und einen ganz verwachsenen Boden zu reinigen und zu ebnen nötig hatte.

Hier erwarte ich an meinem Leser die Geduld und Unparteilichkeit eines Richters, dort aber die Willfähigkeit und den Beistand eines Mithelfers; denn, so vollständig auch alle Prinzipien zu dem System in der Kritik vorgetragen sind, so gehört zur Ausführlichkeit des Systems selbst doch noch, daß es auch an keinen abgeleiteten Begriffen mangle, die man a priori nicht in Überschlag bringen kann, sondern die nach und nach aufgesucht werden müssen, imgleichen, da dort die ganze Synthesis der Begriffe erschöpft wurde, so wird überdem hier gefordert, daß eben dasselbe auch in Ansehung der Analysis geschehe, welches alles leicht und mehr Unterhaltung als Arbeit ist.

Ich habe nur noch einiges in Ansehung des Drucks anzumerken. Da der Anfang desselben etwas verspätet war, so konnte ich nur etwa die Hälfte der Aushängebogen zu sehen bekommen, in denen ich zwar einige, den Sinn aber nicht verwirrende Druckfehler antreffe, außer demjenigen, der S. 379, Zeile 4 von unten vorkommt, da spezifisch anstatt skeptisch gelesen werden muß.

Die Antinomie der reinen Vernunft, von Seite 425 bis 461, ist so, nach Art einer Tafel, angestellt, daß alles, was zur Thesis gehört, auf der linken, was aber zur Antithesis gehört, auf der rechten Seite immer fortläuft, welches ich darum so anordnete, damit Satz und Gegensatz desto leichter miteinander verglichen werden könnte.

*** Eben noch die Alllerhöchste, mächtig durch so viel Schwierigkeiten und Kinder... werde ich jetzt verst0ßen und hilflos weggeführt...
 
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Schroeder

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Einleitung.
1. Idee der Transzendental-Philosophie.

Erfahrung ist ohne Zweifel das erste Produkt, welches unser Verstand hervorbringt, indem er den rohen Stoff sinnlicher Empfindungen bearbeitet.

Sie ist eben dadurch die erste Belehrung und im Fortgange so unerschöpflich an neuem Unterricht, daß das zusammengekettete Leben aller künftigen Zeugungen an neuen Kenntnissen, die auf diesem Boden gesammelt werden können, niemals Mangel haben wird.

Gleichwohl ist sie bei weitem nicht das einzige Feld, darin sich unser Verstand einschränken läßt. Sie sagt uns zwar, was da sei, aber nicht, daß es notwendigerweise, so und nicht anders, sein müsse.

Eben darum gibt sie uns auch keine wahre Allgemeinheit, und die Vernunft, welche nach dieser Art von Erkenntnissen so begierig ist, wird durch sie mehr gereizt, als befriedigt.

Solche allgemeine Erkenntnisse nun, die zugleich den Charakter der innern Notwendigkeit haben, müssen, von der Erfahrung unabhängig, vor sich selbst klar und gewiß sein; man nennt sie daher Erkenntnisse a priori:

da im Gegenteil das, was lediglich von der Erfahrung erborgt ist, wie man sich ausdrückt, nur a posteriori, oder empirisch erkannt wird.

Nun zeigt es sich, welches überaus merkwürdig ist, daß selbst unter unsere Erfahrungen sich Erkenntnisse mengen, die ihren Ursprung a priori haben müssen und die vielleicht nur dazu dienen, um unsern Vorstellungen der Sinne Zusammenhang zu verschaffen.

Denn wenn man aus den ersteren auch alles wegschafft, was den Sinnen angehört, so bleiben dennoch gewisse ursprüngliche Begriffe und aus ihnen erzeugte Urteile übrig, die gänzlich a priori, unabhängig von der Erfahrung entstanden sein müssen, weil sie machen, daß man von den Gegenständen, die den Sinnen erscheinen, mehr sagen kann, wenigstens es sagen zu können glaubt, als bloße Erfahrung lehren würde, und daß Behauptungen wahre Allgemeinheit und strenge Notwendigkeit enthalten, dergleichen die bloß empirische Erkenntnis nicht liefern kann.

Was aber noch weit mehr sagen will ist dieses, daß gewisse Erkenntnisse sogar das Feld aller möglichen Erfahrungen verlassen, und durch Begriffe, denen überall kein entsprechender Gegenstand in der Erfahrung gegeben werden kann, den Umfang unserer Urteile über alle Grenzen derselben zu erweitern den Anschein haben.

Und gerade in diesen letzteren Erkenntnissen, welche über die Sinnenwelt hinausgehen, wo Erfahrung gar keinen Leitfaden noch Berichtigung geben kann, liegen die Nachforschungen unserer Vernunft die wir der Wichtigkeit nach für weit vorzüglicher, und ihre Endabsicht für viel erhabener halten, als alles, was der Verstand im Felde der Erscheinungen lernen kann, wobei wir, sogar auf die Gefahr zu irren, eher alles wagen, als daß wir so angelegene Untersuchungen aus irgendeinem Grunde der Bedenklichkeit, oder aus Geringschätzung und Gleichgültigkeit aufgeben sollten.

Nun scheint es zwar natürlich, daß, sobald man den Boden der Erfahrung verlassen hat, man doch nicht mit Erkenntnissen, die man besitzt, ohne zu wissen woher, und auf den Kredit der Grundsätze, deren Ursprung man nicht kennt, sofort ein Gebäude errichten werde, ohne der Grundlegung desselben durch sorgfältige Untersuchungen vorher versichert zu sein, daß man also die Frage vorlängst werde aufgeworfen haben, wie denn der Verstand zu allen diesen Erkenntnissen a priori kommen könne, und welchen Umfang, Gültigkeit und Wert sie haben mögen.

In der Tat ist auch nichts natürlicher, wenn man unter diesem Wort das versteht, was billiger- und vernünftigerweise geschehen sollte;

versteht man aber darunter das, was gewöhnlichermaßen geschieht, so ist hinwiederum nichts natürlicher und begreiflicher, als daß diese Untersuchung lange Zeit unterbleiben mußte.

Denn ein Teil dieser Erkenntnisse, die mathematischen, ist im alten Besitze der Zuverlässigkeit, und gibt dadurch eine günstige Erwartung auch für andere, ob diese gleich von ganz verschiedener Natur sein mögen.

Überdem, wenn man über den Kreis der Erfahrung hinaus ist, so ist man sicher, durch Erfahrung nicht widersprochen zu werden. Der Reiz, seine Erkenntnisse zu erweitern, ist so groß, daß man nur durch einen klaren Widerspruch, auf den man stößt, in seinem Fortschritte aufgehalten werden kann.

Dieser aber kann vermieden werden, wenn man seine Erdichtungen behutsam macht, ohne daß sie deswegen weniger Erdichtungen bleiben.

Die Mathematik gibt uns ein glänzendes Beispiel, wie weit wir es unabhängig von der Erfahrung in der Erkenntnis a priori bringen können.

Nun beschäftigt sie sich zwar mit Gegenständen und Erkenntnissen, bloß so weit als sich solche in der Anschauung darstellen lassen. Aber dieser Umstand wird leicht übersehen, weil gedachte Anschauung selbst a priori gegeben werden kann, mithin von einem bloßen reinen Begriff kaum unterschieden wird.

Durch einen solchen Beweis von der Macht der Vernunft aufgemuntert, sieht der Trieb zur Erweiterung keine Grenzen.

Die leichte Taube, indem sie im freien Fluge die Luft teilt, deren Widerstand sie fühlt, könnte die Vorstellung fassen, daß es ihr im luftleeren Raum noch viel besser gelingen werde.

Ebenso verließ Plato die Sinnenwelt, weil sie dem Verstande so vielfältige Hindernisse legt, und wagte sich jenseit derselben auf den Flügeln der Ideen, in den leeren Raum des reinen Verstandes.

Er bemerkte nicht, daß er durch seine Bemühungen keinen Weg gewönne, denn er hatte keinen Widerhalt, gleichsam zur Unterlage, worauf er sich steifen, und woran er seine Kräfte anwenden konnte, um den Verstand von der Stelle zu bringen.

Es ist aber ein gewöhnliches Schicksal der menschlichen Vernunft in der Spekulation ihr Gebäude so früh, wie möglich, fertigzumachen, und hintennach allererst zu untersuchen, ob auch der Grund dazu gut gelegt sei.

Alsdann aber werden allerlei Beschönigungen herbeigesucht, um uns wegen dessen Tüchtigkeit zu trösten, oder eine solche späte und gefährliche Prüfung abzuweisen.

Was uns aber während dem Bauen von aller Besorgnis und Verdacht freihält, und mit scheinbarer Gründlichkeit schmeichelt, ist dieses.

Ein großer Teil, und vielleicht der größte, von dem Geschäfte unserer Vernunft besteht in Zergliederungen der Begriffe, die wir schon von Gegenständen haben.

Dieses liefert uns eine Menge von Erkenntnissen, die, ob sie gleich nichts weiter als Aufklärungen oder Erläuterungen desjenigen sind, was in unsern Begriffen, (wiewohl noch auf verworrene Art) schon gedacht worden, doch wenigstens der Form nach neuen Einsichten gleich geschätzt werden, wiewohl sie der Materie oder dem Inhalte nach die Begriffe, die wir haben, nicht erweitern, sondern nur auseinander setzen.

Da dieses Verfahren nun eine wirkliche Erkenntnis a priori gibt, die einen sichern und nützlichen Fortgang hat, so erschleicht die Vernunft, ohne es selbst zu merken, unter dieser Vorspiegelung Behauptungen von ganz anderer Art, wo die Vernunft zu gegebenen Begriffen a priori ganz fremde hinzutut, ohne daß man weiß, wie sie dazu gelangen und ohne sich diese Frage auch nur in die Gedanken kommen zu lassen.

Ich will daher gleich anfangs von dem Unterschiede dieser zweifachen Erkenntnisart handeln.

 
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Spooks

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jo das hab ich vor kurzem auch mal angefangen .. ist eigentlich selten das man jemanden findet der sowas liest... was sicher auch daran liegen kann das kants schreibe alles andere als einfach zu lesen ist ... all diese einschuebe und verschachtelungen machen es zum teil schwer am ende des satzes noch zu wissen worums eigentlich geht :)


hatte bisher nur die 2. ausgabe gelesen (nicht ganz aber das wird noch :) ) diese hier sieht bisher einfacher zu lesen aus .. kann sich aber noch aendern :)

das hier in diesem forum schriften ueber die moeglichkeiten und einschraenkungen des menschlichen verstandes und den versuch die grundlagen fuer einen wissenschaftlichen Umgang mit dem thema metaphysik zu schaffen, find ich allerdings schon ein wenig seltsam :)
kann aber sicher nicht schaden ;)
 

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Nun, Sinn und Zweck der Übung könnte es sein GEMEINSAM diese Texte anzugehen, evtl. hat der Herr Schroeder aber auch nur Überdruck und/oder Langeweile. :D

Meine Wenigkeit beschäftigt sich aktuell mit der deutschen Geschichte ab 1800 und nicht zuletzt den gesellschaftlichen Umwälzungen durch Napoleons Auftritt im Lande, aber natürlich auch durch die Einflüsse einer "humanitären Aufklärung" und "Kants Ethik", wobei ich ihn immer wieder gerne einen heuchlerischen Kotzbrocken nenne, hätte ihm sein Kategorischer Imperativ bis ins Mark hinein befehlen müssen, dass er seine geistigen Ergüsse so zu schreiben hat***, dass man sie auch verstehen kann.



*** Kant beantwortet dies schon im Vorwort:
Ich sah aber die Größe meiner Aufgabe und die Menge der Gegenstände, womit ich es zu tun haben würde, gar bald ein und, da ich gewahr ward, daß diese ganz allein, im trockenen, bloß scholastischen Vortrage, das Werk schon genug ausdehnen würden, so fand ich es unratsam, es durch Beispiele und Erläuterungen, die nur in populärer Absicht notwendig sind, noch mehr anzuschwellen, zumal diese Arbeit keineswegs dem populären Gebrauche angemessen werden könnte und die eigentlichen Kenner der Wissenschaft diese Erleichterung nicht so nötig haben, ob sie zwar jederzeit angenehm ist, hier aber sogar etwas Zweckwidriges nach sich ziehen konnte.
 

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Solche allgemeine Erkenntnisse nun, die zugleich den Charakter der innern Notwendigkeit haben, müssen, von der Erfahrung unabhängig, vor sich selbst klar und gewiß sein; man nennt sie daher Erkenntnisse a priori: da im Gegenteil das, was lediglich von der Erfahrung erborgt ist, wie man sich ausdrückt, nur a posteriori, oder empirisch erkannt wird.

Da frage ich mich, ob es erste überhaupt geben kann, ist nicht alles und jedes nur Ergebnis eines Modells und/oder einer empirisch belegten "Gewißheit"? Wer war jener, der das Beispiel Stein und Schwerkraft angezweifelt hat und meinte, dass man sich den Kiesel tausend Mal auf den Kopf fallen lassen und trotzdem NIE sicher sein kann, dass der Stein auch beim nächsten mal herabfällt? Und wäre die Erkenntnis, dass es keine Erkenntnis gibt eine? Grins.
 
S

Spooks

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Wer war jener, der das Beispiel Stein und Schwerkraft angezweifelt hat und meinte, dass man sich den Kiesel tausend Mal auf den Kopf fallen lassen und trotzdem NIE sicher sein kann, dass der Stein auch beim nächsten mal herabfällt?
darauf geht er in einem anderen teil des textes ein

Erfahrung gibt niemals ihren Urteilen wahre oder strenge,
sondern nur angenommene und komparative Allgemeinheit (durch
Induktion), so daß es eigentlich heißen muß: soviel wir bisher
wahrgenommen haben, findet sich von dieser oder jener Regel keine
Ausnahme. Wird also ein Urteil in strengen Allgemeinheit gedacht, d.i.
so, daß gar keine Ausnahme als möglich verstattet wird, so ist es
nicht von der Erfahrung abgeleitet, sondern schlechterdings a priori
gültig. Die empirische Allgemeinheit ist also nur eine willkürliche
Steigerung der Gültigkeit, von der, welche in den meisten Fällen,
zu der, die in allen gilt
ich glaub eins der beispiele fuer erkenntnisse a priori die er gibt ist die erkenntniss das jede veraenderung eine ursache haben muss wobei dabei die verallgemeinerung auf "jede" nicht absolut sondern eher induktiv gemeint ist

Daß es nun dergleichen notwendige und im strengsten Sinne allgemeine,
mithin reine Urteile a priori, im menschlichen Erkenntnis wirklich
gebe, ist leicht zu zeigen. Will man ein Beispiel aus Wissenschaften,
so darf man nur auf alle Sätze der Mathematik hinaussehen, will man
ein solches aus dem gemeinsten Verstandesgebrauche, so kann der Satz,
daß alle Veränderung eine Ursache haben müsse, dazu dienen;
 
S

Schroeder

User
Zur Induktionslogik, ein Beispiel aus der Wikipedia.

Induktion befasst sich mit dem Schluss vom Besonderen auf das Allgemeine. In der Alltagswelt befasst man sich täglich mit Verallgemeinerungen, indem einzelne Beobachtungen und Erfahrungen der Alltagswelt zusammenfasst werden zu alltäglichen Regeln. Wenn jemand morgens um 7:03 h mit der Bahn zur Arbeit fährt, kann sie/er sich darauf verlassen, dass die Bahn auch Morgen und Übermorgen ebenfalls zur gleichen Uhrzeit abfährt. Mit Notwendigkeit kann der Schluss von den Einzelbeobachtungen "n" auf alle folgenden Ereignisse "n+1" (Bahn kommt immer um 7:03 h) allerdings nicht gezeigt werden: ein Baum kann auf die Schienen fallen, ein Blitzschlag die Stromzufuhr unterbrechen.
 
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S

Spooks

User
genau :)

und in der mathematik haben wir den gluecklichen zufall bei dieser art der beweisfuehrung verbindlich sagen und hinterher auch schluessig zeigen zu koennen, dass wenn etwas also fuer 1 stimmt und wir vorraussetzen das es fuer n stimmt und dann zeigen koennen das es unter dieser vorraussetzung auch fuer n+1 stimmt ist die gueltigkeit bewiesen und die aussage wahr (wenn die zugrunde liegenden axiome wahr sind)

der vorteil ist hierbei das wir in der mathematik viele wichtige axiome bereits kennen und sinnvoll festgelegt haben bei der realitaet sind wir noch am suchen :p (oder habens vielfach eigentlich schon aufgegeben)

wobei ich die erkenntniss das wir keinerlei!!! aussagen machen koennen deren absoluter wahrheitsgehalt sich bestimmen laest schon fuer ne ziemlich fiese angelegenheit halte (man spielt immer mit saetzen wie alles ist relativ und ich weis das ich nichts weis .. aber so wirklich greifbar ist das in unserer gesellschaft, in der wahr ist was funktioniert, nicht)
 
S

Schroeder

User
Und weil sowieso nichts ist, lassen wir alles. :D
Interessant wäre die Frage, was gibt uns der gute Kant mit auf den Weg, was ziehen wir aus seinen Worten. Vielleicht klärt man das Text für Text, und vielleicht sind wir hinterher schlauer; wobei ich eben feststelle, dass ich gleich mal die Bibliothek durchforschen will, das Lesen am Monitor ist doch recht nervig. :(
 
A

Abchecker

User
Spooks schrieb:
genau :)

und in der mathematik haben wir den gluecklichen zufall bei dieser art der beweisfuehrung verbindlich sagen und hinterher auch schluessig zeigen zu koennen, dass wenn etwas also fuer 1 stimmt und wir vorraussetzen das es fuer n stimmt und dann zeigen koennen das es unter dieser vorraussetzung auch fuer n+1 stimmt ist die gueltigkeit bewiesen und die aussage wahr (wenn die zugrunde liegenden axiome wahr sind)

der vorteil ist hierbei das wir in der mathematik viele wichtige axiome bereits kennen und sinnvoll festgelegt haben bei der realitaet sind wir noch am suchen :p (oder habens vielfach eigentlich schon aufgegeben)

wobei ich die erkenntniss das wir keinerlei!!! aussagen machen koennen deren absoluter wahrheitsgehalt sich bestimmen laest schon fuer ne ziemlich fiese angelegenheit halte (man spielt immer mit saetzen wie alles ist relativ und ich weis das ich nichts weis .. aber so wirklich greifbar ist das in unserer gesellschaft, in der wahr ist was funktioniert, nicht)

"Vollständige Induktion" nennt sich das und hat die Mathematik revolutioniert. Abiturienten werden damit heute noch in extenso gequält.

Zum letzten Absatz: Ohne Einstein vom Sockel stossen zu wollen, der wie jedem geläufig ein genialer Ausnahmewissenschaftler war, könnte mann überlegen, ob nicht alles absolut ist, nur da wir das Absolute nicht fassen können, wir relativistisch rechnen müssen. Ändert aber nichts an der Richtigkeit der Relativitätstheorie, die sich durch zahlreiche Anwendungen verifiziert und unumstösslich etabliert hat.
 
S

Schroeder

User
Du meinst mit vollständiger Induktion und Revolution, dass irgendwann irgendwer "einen Beweis" als erstes gefunden und verständlich gemacht hat? Ich kann mich an keinen mehr erinnern, aber begrüße es, dass man eine Aussage x (soweit sie sich noch in drei Dimensionen aufhält :D) wunderbar mit Zahlen vorführen und eben beweisen kann und die Kiddies das auch lernen.

Interessant dazu (evtl. auch für alle Abiturienten) Aussagen aus Rupert Lay "Manipulation durch Sprache", der da meint, dass es nicht reicht mit besseren Argumenten (ich gebe Dir die Note) einen anderen zu überreden, sondern, dass man ihn auch emotional überzeugen müsse. Im Falle des Abiturienten dann also, indem man ihm die Schönheit und Wichtigkeit eines Beweises, des "Könnens" klar macht. :)

Deinen zweiten Absatz verstehe ich nicht. Im Gegenteil behaupte ich, dass alles was ich in meinem Kopf als absolut (und richtig) definiert haben WILL, so auch IST. Genau genommen funktionieren wir doch jeden Tag genau so; würde man alles und jedes immer und jederzeit in Relation betrachten wollen, kommt man nicht mal mehr zum pinkeln.

Angemerkt sei, dass ich selbst Menschen immer mal gerne verachte, weil sie sich der Relativität ihrer Aussagen und Werte nicht bewußt sind oder bewußt sein wollen. - Die Schwierigkeit liegt für mich darin, wo aufhören, wo anfangen? Was landet auf der schwarz-weißen Liste, was bleibt in der grauen Schublade?

Die Relativitätstheorie hänge bitte auch noch an; es soll ja nur ein paar Menschen geben, die die Formel verstehen, die verbalen Aussagen dazu erscheinen mir (wahrscheinlich unverstanden) als banal.
 
A

Abchecker

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Kuriose Rubrik!
Von Kant, der in seinem ganzen Leben Königsberg nie verlassen hat, über mathematische Beweisverfahren, bis hin zu theoretisch-physikalischen Exkursionen. Was bringt es dem Freizeit-Popper? Aber trotzdem: für nachdenkliche, kurzweilige Momente von Nutzen.
Kant, einer meiner Lieblingsphilosophen (der Bedeutendste der Aufklärungszeit und vielleicht sogar der ganzen Neuzeit), ist bestimmt noch zeitgemäss, da er sich im Gegensatz zu vieler seiner Kollegen, mit den "Exakten Wissenschaften" kompatibel zeigt, trotz seiner metaphysischen Ausschweifungen. Im Vergleich dazu denke man da nur an den wortgewaltigen Nitzsche.
 
S

Schroeder

User
Wie ein von mir hochgeschätzter Trainer zu sagen pflegte: Dies hier ist ein Buffet. Nehmen Sie sich das, was ihnen schmeckt, genau das und nur das, was sie für sich gebrauchen können.

Was ist nun mit der Relativitätstheorie und warum ist Kant Dein Lieblingsphilosoph, was gibt er Dir, was gibt er Dir insbesondere in Bezug zu den von Dir genannten "Exakten Wissenschaften" und welche sind das?
 
A

Abchecker

User
Schroeder schrieb:
Interessant dazu (evtl. auch für alle Abiturienten) Aussagen aus Rupert Lay "Manipulation durch Sprache", der da meint, dass es nicht reicht mit besseren Argumenten (ich gebe Dir die Note) einen anderen zu überreden, sondern, dass man ihn auch emotional überzeugen müsse. Im Falle des Abiturienten dann also, indem man ihm die Schönheit und Wichtigkeit eines Beweises, des "Könnens" klar macht. :)

Manipulation ist ausser durch Sprache auch möglich durch Handlungen, Gesten, Symbolen und Formeln. Allerdings halte ich besagte Manipulation durch Sprache für die Gefährlichste, denn die Sprache ist nunmal das wichtigste Regulativ in unserer Gesellschaft. Für instruktiv halte ich diesbezüglich einige von Bertolt Brechts Ausführungen zur Literaturanalyse, der da hinterfragte: "Wem nützt der Satz? Wem gibt er vor zu nützen?"

Deinen zweiten Absatz verstehe ich nicht. Im Gegenteil behaupte ich, dass alles was ich in meinem Kopf als absolut (und richtig) definiert haben WILL, so auch IST. Genau genommen funktionieren wir doch jeden Tag genau so; würde man alles und jedes immer und jederzeit in Relation betrachten wollen, kommt man nicht mal mehr zum pinkeln.

Meine Rede! Wieso im Gegenteil? Bin der selben Meinung und dachte, das geht aus der Notiz hervor. Man muss seine Meinung mitunter als absolut hinstellen, sonst wird man unsicher, kommt ins Zweifeln und Grübeln. Gleichwohl darf man aber nicht vergessen, dass jeder Mensch von ein und der selben Sache verschiedene Ansichten haben kann. So dass wir uns sehr wohl darüber Gedanken machen müssen, was andere über unsere Aussagen, Handlungen und Werthaltungen denken. Sonst werden wir immer mehr zu einem in sich abgeschlossenen System, das seine Integrität durch Rebellion, Trotz und Machtkampf (im schlimmsten Falle paradoxerweise durch Resignation) aufrechterhalten muss. Im Alltäglichen ist somit eine dynamische Ausbalancierung von absoluten und relativen Anteilen erforderlich. Einstein war also zu plakativ als er sagte "Alles ist relativ". Meine Sichtweise, dass doch eigentlich alles absolut sein könnte, nur wir das Absolute nicht fassen können und deshalb relativistisch rechnen müssen, sollte sich wirklich nur auf Natur- und Formalwissenschften beziehen. Deshalb der Ausdruck "rechnen". In wahren Leben gibt es sowohl das Relative, wie das Absolute. Das macht letztendlich auch der Sprachgebrauch deutlich: wenn nicht beide Begriffe ihre Berechtigung hätten, gäbe es sie nicht.

Angemerkt sei, dass ich selbst Menschen immer mal gerne verachte, weil sie sich der Relativität ihrer Aussagen und Werte nicht bewußt sind oder bewußt sein wollen. - Die Schwierigkeit liegt für mich darin, wo aufhören, wo anfangen? Was landet auf der schwarz-weißen Liste, was bleibt in der grauen Schublade?

ebenso:rolleyes:
 
A

Abchecker

User
Schroeder schrieb:
Was ist nun mit der Relativitätstheorie und warum ist Kant Dein Lieblingsphilosoph, was gibt er Dir, was gibt er Dir insbesondere in Bezug zu den von Dir genannten "Exakten Wissenschaften" und welche sind das?

Wie schon gesagt ist Kant nicht mein Lieblingsphilosoph, sondern einer meiner Lieblingsphilosophen. Weiter reihen sich z.B. ein: der noch nicht ganz antiquierte Aristoteles, Habermaß und Wittgenstein. Also quer durch alle Epochen und Strömungen. Alle selbstverständlich nur aus der Sichtweise eines pilosophischen Laien betrachtet, da ich in erster Linie medizinisch gebildet bin. Kant gibt mir persönlich ästhetisch-schöngeistig (ungewöhnlich, aber wahr) und abstrakt-theoretisch etwas. Den nach ihm aufkommenden Denkern der "Exakten Wissenschaften" fungierte er wohl als Wegbereiter und inspirierende Kraft. Unter diesen Wissenschaften würde ich die Naturwissenschaften, die Mathematik als Formalwissenschaft und die sich darauf stützenden Wissenschaften (bestimmte Teilbereiche der) Medizin, der naturwissenschaftlich fundierte Psychologie, die empirische Sozialforschung subsumieren. Auf die Relativitätstheorie bin ich nur gekommen, um mir nicht anzumassen, Einstein zu sehr zu kritisieren. Aber wo wir schon dabei sind: Die Aussagen der speziellen Relativitätstheorie sind, wie Du schon sagtest, weitgehend banal, da sie sich in einem für halbwegs Gebildete zugänglichen Anschauungraum bewegen. Über die allgemeine Relativitätstheorie weiss ich nicht viel und was ich davon weiss, reicht mir auch. Würde ich mich 30 Jahre damit beschäftigen, würde ich sie vielleicht auch verstehen. Aber da schreibe ich doch lieber im Freierforum. Wie Du bestimmt gemerkt hast, kommen wir zu sehr vom eigentlichen Thema ab. Was mich interessieren würde, ist, da Du dieses doch hoch philosophische Thema "Kritik der reinen Vernunft" aufgebracht hast, was Kant Dir persönlich gibt, ob Du sein wohl am schwersten zugängliches Werk bis ins letzte Detail verstehst und ob Du sagar einiges anders siehst als besagte Philosophie-Ikone.:c_o_smoke
 
S

Spooks

User
Im Gegenteil behaupte ich, dass alles was ich in meinem Kopf als absolut (und richtig) definiert haben WILL, so auch IST. Genau genommen funktionieren wir doch jeden Tag genau so; würde man alles und jedes immer und jederzeit in Relation betrachten wollen, kommt man nicht mal mehr zum pinkeln.

wenn wir uns drauf einigen das einige aussagen ueber sachverhalte "wahr genug" sind (naemlich wahr genug um zu funktionieren) dann koennen wir die bedeutung von wahr doch einfach umdefinieren um grade dieses auszusagen

die erkenntnisse ueber elektronik, elektrotechnik, compilerbau, software entwicklung, sind alle wahr genug um uns eine moeglichkeit zu geben uns zuferlaessig hier zu unterhalten .. mir reicht das :)
 
G

Gast67

User
Schroeder schrieb:
Wie ein von mir hochgeschätzter Trainer zu sagen pflegte: Dies hier ist ein Buffet. Nehmen Sie sich das, was ihnen schmeckt, genau das und nur das, was sie für sich gebrauchen können.
:) Schön das es noch jemand so sieht wie ich, der Buffet-Vergleich ist wirklich ausgesprochen passenend.
Außerdem ist es immer schön sich im einem Umfeld zu bewegen in dem man Menschen findet mit denen man sich gleichermaßen über den Gebrauch von Gleitcreme, Philosophen, Staatstheoretiker, Prostitution in allgemeinen und speziellen, etc., etc., .... austauschen kann. LOL!
Da kommt mir gerade das entweder das Leben oder meine Sichtweise auf Selbiges sehr skuril ist! (grübel, Kopf-kratz)
 
S

Schmusebengel

User
Zumindest deduktiv könnte man aus diesem Thread ableiten, dass Schroeder und Tom eine gewisse Wesensverwandschaft mit den Herren Jekyll und Hyde habe. Aber ejal. Sei es drum. Ist ja ganz unterhaltsam. Nicht jede Persönlichkeit, die gespalten ist, läßt sich auf die Heisenbergsche Unschärferelation zurückführen. Von Quantensprüngen ganz zu schweigen.

*smile*
 
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