Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
vom 27. Mai 2007
Seite 1
O-je-min-ne. KK Merkel ist schockiert, ich hoffe nur die arme Frau konnte in den letzten Tagen vor lauter Aufregung noch feste Nahrung zu sich nehmen. Und sie appelliert. Das klingt so wichtig, so pathetisch, so bedeutend. Und was will sie nun?
Das Schweigekartell muss gebrochen werden!
Huch! Ein Kartell, ein Schweigekartell sogar, womöglich so eines wie damals als Merkels Ziehvater Kohl sich nicht an diverse Schwarzgeldkonten und die zugehörigen Spender erinnern konnte oder so eines wie das Kopfsche, der Parlament und Öffentlickeit belügen konnte und fester denn je auf seinem Throne sitzt?
Ich bin schockiert, aber heftig, aber sehr, sehr, sehr, sehr heftig und werde später am Tage eine Kerze in mein Fenster stellen und ein Deutschlandfähnchen an meinem Motorrad anbringen.
Und müssen wir uns nicht fragen, ob nicht an allem doch wieder der Scharping schuld ist? Ich werde sofort das Schäuble anrufen, damit der eine Riechprobe nehmen läßt.
Apropos Riechprobe. Habt Ihr unserem großen Weltenretter schon gedankt und ihm Eure Riechprobe zukommen lassen? Nein? Dann dürft Ihr Euch gerne an mir ein gutes Beispiel nehmen und ihm das folgende Bild per Mail an
[email protected] zukommen lassen.
Und falls der Scharping schuldig ist, muss der Mann gehörig bestraft werden, vielleicht mit einem weiteren Posten? Neben Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer könnte er doch auch noch eine Schirmherrschaft aller deutschen Schwimmärmelhersteller oder besser noch aller Deutschen Herrenausstatter weltweit übernehmen.
Aber egal, das gute Schäuble wird es schon richten, und wenn wir potentielle Attentäter foltern können, damit sie ihre Informationen zu unserem Wohle herausrücken, dann sollte das mit den paar Fahrradhanseln doch auch klappen. Und die Kohlköpfe sperren wir am besten gleich mit ein und unterziehen sie einer entsprechenden Befragung. Vielleicht am Grab von Filbinger, damit sie sich an ihren Auftrag nur das beste für das Deutsche Volk zu wollen erinnern.
Weiter unten dann auf Seite 1 geht es mit Herrn Gabriel weiter, der die SPD auffordert selbstbewußter zu sein und es nicht zuzulassen, dass die bisherigen Erfolge - welche Erfolge, nimmt der Drogen? - nicht der CDU zugesprochen werden, sondern ganz klar als die Folge der Schröderischen Vorgängerregierung erkannt werden müssen.
Und jawohl! Es ist nur allzu verständlich, dass der Mann unzufrieden ist, schließlich hat man dieser Tage seinen Kollegen Münte als intellektuell unterbelichtet bezeichnet und natürlich muss sich da der Gabriel angesprochen fühlen.
Kurz werden wir hier auch informiert, dass man Truppen nach Kiev beordert hat. Kiev? Ja, Kiev, das ist die Hauptstadt der Ukraine, dort könnte es dieser Tage ein bischen knallen, was uns aber nicht wirklich interessieren muss.
Schließlich haben wir zusammen mit unserer KK Merkel ein Schweigekartell zu brechen. In unserem Land herrscht Ordnung, und da geht es nicht an, dass eine Handvoll Fahrradfahrer irgendwas eingeworfen haben könnte.
Direkt daneben faselt ein "wer", so sein Redaktionskürzel, was von einem Interdentalbürstchen ohne das er nicht mehr leben könne. Als einfacher Mensch habe ich wahrscheinlich den tieferen Sinn nicht verstanden, vielleicht wollte er uns damit sagen, dass die bösen Werber dieser Welt uns allerhand Mist verkaufen und wir uns nicht zu sehr von der Werbung einwickeln lassen wollen.
Und als ich wenig später meinen Blick auf die Seite 9 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung richte, wird mir der Zusammenhang schlagartig klar.
Genau dort nämlich hat die Firma Edeka eine ganze Seite gebucht. Herzlichen Glückwunsch. Und das sieht so aus:
Ich zitiere wie folgt: "
Edeka wird 100.... 100 Jahre Edeka heißt 100 Jahre Liebe zu Lebensmitteln. Und: eine lange, lange Liste von Wegbereitern, denen wir für 100 Jahre Erfolg danken wollen. Allen voran natürlich Eva. Eva? Richtig! Eva, die Grande Dame aus dem Garten Eden, Frau von Adam, erste große Genießerin der Menschheit und - sie wissen schon - die mit dem Apfel.
Doch was bitte hat diese Frau mit Edeka zu tun, mögen sie sich fragen. Eine ganze Menge, können wir Ihnen verraten. Denn Eva hat uns gezeigt, dass ein Apfel frisch lecker und gesund sein muss, damit man ihn unbedingt essen will.... "
Oha! Mein Oberstübchen beginnt zu rotieren, ich vergesse den sehnsüchtigen Wunsch mit meiner Göttergattin im Bett zu liegen, ich vergesse den halbnackten Scharping auf einem Fahrrad sitzend und mit Gabriel um den deutschen Deppenpreis wetteifernd die Tour de France nachfahrend, ich vergesse die Übelkeit, die mich jedesmal ergreift, wenn ich zu spät nach der Fernbedienung hechte, um mir KK Merkel nicht in Bild und Ton antun zu müssen, wonach mir auch kein Dentalbürstchen mehr helfen kann, den Geschmack von Gift und Galle aus dem Mund zu kriegen, und grüble wie das jetzt alles sein kann.
Ist das eine versteckte Kritik an unserem Bildungssystem, will man den wenigen, die hierzulande noch eine gute Schulbildung genossen haben, sagen, dass man dem Rest des Landes wirklich jeden Scheißdreck verkaufen kann?
Oder ist das eine Hommage an die Überreste von Herrn Bush, der in Teilen seines Landes die Kinder lernen läßt, dass der Mensch natürlich nicht vom Affen abstammt, sondern der erste Fick irgendwo zwei Straßen neben dem Garten Eden stattgefunden hat und wir alle unseren Ururur...großeltern gedenken sollen?
Oder ist diese Werbung vielleicht doch nur eine Vorbereitung für den eifenden Artikel auf Seite 2 wie hipp es doch sei ein richtiger Priester zu werden und zwar so richtig nach den alten Regeln wie man sie bis zu den 60igern noch ausgeübt hat? Mit Fegefeuer, Teufel und all dem Kram - selbstredend sponsored by Edeka?
Jetzt habe ich keine Lust mehr, rufe meine Frau an und beordere sie schnellstmöglich nach Hause.